Auf dem Tag der Preise und Stipendien am 21. November 2024 wurde Jorma Vogel, Master-Absolvent der Sozialen Arbeit, der Fritz-Leonhard-Reuther-Preis für seine herausragenden Studienleistungen verliehen. Im folgenden Interview verrät uns der Preisträger, welche Gründe ihn zu einem Studium der Sozialen Arbeit bewogen haben, womit er sich in seiner Master-Thesis sowie in der beruflichen Praxis im Bereich der Jugendhilfe beschäftigt und was seine Pläne für die Zukunft sind.
Wie hat Sie die Nachricht erreicht, dass Sie Preisträger des Fritz-Leonhard-Reuther-Preises sind? Und was haben Sie zuerst gedacht, als Sie erfahren haben, dass Sie Jahrgangsbester der Hochschule Mannheim sind?
Ich habe abends die Mail geöffnet und diese zu Beginn für eine sehr gelungene Fälschung gehalten. Mein Abschluss lag schon ein Jahr zurück und ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich für einen solchen Preis ausgewählt worden bin. Nachdem ich aber die Mail gründlich überprüft und nach dem Preis recherchiert hatte, überwog schnell die Freude gegenüber der Skepsis und ich habe mich sehr geehrt gefühlt.
Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
In erster Linie ist so eine Auszeichnung natürlich eine große Wertschätzung und gleichsam ein Ansporn für meine weitere fachliche Entwicklung. Ich glaube, vor allem für Angehörige aus Professionen wie der Sozialen Arbeit, die weiterhin in der Ausdifferenzierung begriffen ist und teilweise um Anerkennung kämpft, sind solche Auszeichnungen auch eine Bestätigung der Teilhabe an der Hochschulgemeinschaft. Abgesehen von der nicht unerheblichen monetären Unterstützung waren die Gespräche an und rund um die Preisverleihung und für mich eine tolle Bereicherung.
Worum ging es in Ihrer Master-Thesis und wieso haben Sie sich genau mit diesem Thema beschäftigt?
In meiner Masterarbeit habe ich mittels Interviews und Diskursanalyse das Verständnis des Rechtsextremismusbegriffs von Fachkräften Sozialer Arbeit und die Funktion des Begriffs für die Konstruktion eines professionellen sozialarbeiterischen Handelns untersucht. Mich hat interessiert, was genau überhaupt in der Sozialen Arbeit als rechtsextrem verhandelt wird, was als professioneller Umgang damit verstanden wird und inwieweit das mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Diskursen zusammenhängt. Die Soziale Arbeit ist mit verschiedensten Ausprägungen von Rechtsextremismus konfrontiert und hat sich in den jeweiligen Handlungsfeldern einen großen Wissensbestand erarbeitet und doch erscheint der Rechtsextremismusbegriff oft in der Alltagspraxis wenig fassbar. Hier genau hinzuschauen und Phänomene mit klarer Haltung zu benennen, ohne dabei durch Stereotype Kommunikation abreißen zu lassen oder den Diskursstrategien rechtsextremer Akteur*innen Vorschub zu leisten, ist eine Herausforderung, die mir angesichts der politischen Entwicklung nötig erscheint und für die ich meiner Profession und der Gesellschaft viel Mut wünsche.
Wie fiel eigentlich die Entscheidung für ein Studium der Sozialen Arbeit?
Mein ursprünglicher Plan, den ich schon während der Schulzeit hatte, war ein Studium der Geschichte und Germanistik. Nach zwei Semestern musste ich mir jedoch eingestehen, dass sich der Lebensentwurf, den ich in der Schule gefasst hatte, nicht mehr mit meinen Vorstellungen deckte und ich erinnerte mich an mein FSJ, welches ich zwischen Abitur und Studienbeginn in der Einrichtung der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe absolvierte und mich derart nachhaltig beeinflusst hat, dass ich mich tatsächlich recht intuitiv noch während der Einführungsvorlesung in die Geschichte des Mittelalters an der Hochschule Mannheim für den Bachelor in Sozialer Arbeit einschrieb. Im Nachhinein war das FSJ also ausschlaggebend und absolut wertvoll, da ich mit gesellschaftlichen Realitäten und Herausforderungen konfrontiert wurde, die mir sonst sehr wahrscheinlich so nicht begegnet wären.
Welche beruflichen Ziele hatten Sie vor Ihrem Studium? Haben sich Ihre Ziele während des Studiums geändert?
Mit Beginn des Studiums hatte ich erst einmal jegliche Idee von einer akademischen Karriere verworfen und wollte mich auf die Handlungspraxis konzentrieren. Schnell merkte ich jedoch nach den ersten Semestern, dass mich die Theoriegebäude der Sozialen Arbeit, Pädagogik, Soziologie, usw. durchaus reizten und erhielt durch meine Professor*innen nicht nur positives Feedback und Unterstützung, sondern auch die Möglichkeit in mehreren Hiwi-Jobs erste Berührungspunkte mit Lehre und Forschung zu knüpfen. Das hat mir derart gut gefallen, dass ich im Anschluss direkt den Master gemacht habe und sich auch währenddessen die Idee formte, der Institution Hochschule über den Abschluss hinweg verbunden zu bleiben.
Wie ging es bei Ihnen nach dem Master weiter und was machen Sie aktuell? Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?
Ich arbeitete während des Studiums in der besagten Jugend- und Familienhilfeeinrichtung, in der ich auch mein FSJ absolviert hatte, und habe dort nach meinem Master eine neue Position übernommen. Parallel hatte ich die Möglichkeit, an der Fakultät Anfang des Jahres in einem Evaluationsprojekt zu arbeiten, und habe zurzeit einen Lehrauftrag in Ludwigshafen. Ganz aktuell bereite ich meine Promotion im Themenbereich Professionalität und Dokumentationswesen in der Jugendhilfe vor und hoffe, perspektivisch mehr Erfahrung in Forschung und Lehre zu sammeln, da dies beides neben der Jugendhilfe Bereiche sind, welche mir unglaublich Freude bereiten und in welchen ich mich zukünftig gerne umfassend beruflich engagieren möchte.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Studienzeit?
Meine Studienzeit in Mannheim behalte ich in bester Erinnerung, sowohl die fachliche und persönliche Entwicklung, die kritischen Diskussionen mit den Dozent*innen als auch und vor allem die kleinen Lerngruppen im Bachelor und Master, die sich mit den Kommiliton*innen gebildet haben und aus denen tolle Freundschaften sowie anregende Dispute hervorgegangen sind. Prägend fand ich vor allem die Umwerfungen im Kontext der Online-Lehre und die damit verbundenen Herausforderungen, mit denen Studierende und Lehrende plötzlich konfrontiert waren. Deshalb bleibt für mich die wohl schönste Erinnerung der Moment, als wir im Masterstudium im Frühling draußen unter einem Baum sitzend gemeinsam über die Bedeutung von Nietzsches Wahrheitsbegriff für die Normativität Sozialer Arbeit diskutiert haben, das ist für mich Inbegriff des Studiums.
Gibt es etwas, das Sie den Ihnen nachfolgenden Studierenden an der Hochschule Mannheim mit auf dem Weg geben möchten? Ein Tipp wie man Fritz-Leonhard-Reuther-Preisträger wird zum Beispiel?
Einen für mein Verständnis von Studium leitenden Gedanken habe ich mir aus meinem Geschichtsstudium behalten: Universität, und damit schließe ich alle akademischen Bildungsinstitutionen ein, bezeichnet in der ursprünglichen Formel die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden. Diesen ursprünglichen Ansatz finden ich einen schönen Gedanken, da ich den Eindruck gewonnen habe, dass häufig im Studium eher ein Konkurrenzdenken vorherrscht und auch die Lehrenden im Zusammenspiel mit Benotung eher als Gegner*innen denn als Kooperationspartner wahrgenommen werden. Mir ist bewusst, dass sich dieses Klima im Kontext multipler Belastungen, finanzieller Hürden, institutioneller Logiken und gesellschaftlicher Herrschaftspraxen wenig ändern lässt, würde aber doch allen Studierenden wünschen, die Erfahrung von Gemeinschaft machen zu können oder sich diese Erfahrung zu verschaffen, da ich glaube, dass Freude, Selbstwirksamkeit, Unterstützung und echte Diskussionen Garanten für ein produktives Studium und damit wissenschaftliche Erkenntnisse sind. Ohne ein Netzwerk aus Unterstützer*innen, Interview- und Diskussionspartner*innen und schlussendlich Juror*innen hätte ich diesen Preis nicht erhalten.
Wissen Sie schon, was Sie mit dem Preisgeld in Höhe von 2.500 € machen werden?
Einen Teil des Geldes habe ich in Fachliteratur zur Vorbereitung des Exposees investiert und das restliche Geld zur weiteren Finanzierung der zur Promotion notwendigen EDV, Literatur und sonstigen Kosten eingeplant. Die Jugendhilfe ist nicht zwangsläufig ein Arbeitsbereich, der dafür bekannt ist, üppige Gehälter zu generieren und das Preisgeld verschafft mir die Möglichkeit, an meinem Projekt zu arbeiten, ohne mir über die dadurch anfallenden Kosten vorerst Gedanken machen zu müssen. Ein Privileg, für welches ich sehr dankbar bin und welches für mich den Stellenwert umfassender Unterstützung für die wissenschaftliche Nachwuchsförderung verdeutlicht.
Vielen herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen Jorma Vogel alles Gute und viele Erfolg für die Zukunft. Wir freuen uns, dass er der Hochschule als Doktorand erhalten bleibt und sind bereits gespannt auf die Ergebnisse seiner Promotion.
Zum Fritz-Leonhard-Reuther-Preis
Mit der Verleihung des Fritz-Leonhard-Reuther-Preises fördert der Verein der Freunde der Hochschule Mannheim den wissenschaftlichen Nachwuchs und zeichnet hochschulweit die beste Absolventin bzw. den besten Absolventen eines Studienjahres aus. Die mit 2.500 € dotierte Auszeichnung wird bereits seit 1978 vergeben und ist damit der älteste Preis an der Hochschule Mannheim.
Fritz Leonhard Reuther, geboren 1909 in Mannheim-Waldhof, war der erste Präsident des Vereins der Freunde der Hochschule Mannheim, der 1958 gegründet wurde. Insgesamt 20 Jahre leitete Reuther die Geschicke der Fördergemeinschaft. Er war Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzender in der von seinem Großvater gegründeten Armaturen- und Messgerätefabrik „Bopp & Reuther GmbH“. Fritz Leonhard Reuther wurde am 14.02.1979 zum ersten Ehrensenator der Hochschule ernannt. Er starb 1983.